Rechtliche Hintergründe

Ansprüche verletzter (Querschnitts)-Patienten

Thomas Reiche, LL.M. oec, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Fachanwalt für Strafrecht

Foto: Nico/stock.adobe.com

Erheblichen Verletzungen, die zu dauerhaften körperlichen Beeinträchtigungen führen, liegen in aller Regel Unfälle zugrunde. Für die Frage, wem gegenüber den Verunfallten welche Ansprüche zustehen, ist zunächst die Frage entscheidend, ob es einen Schädiger gibt (unter A) oder der Unfall selbst verschuldet war (unter B).

Inhaltsübersicht

A. mit Schädiger/Haftung

I. Haftungsgründe

  1. Unfallgegner Kfz/Motorrad
  2. Unfallverursacher Fahrradfahrer
  3. Weitere Haftungstatbestände aus dem Verkehr
  4. Arzthaftungsrecht

III. Ansprüche aufgrund Haftung

  1. Schmerzensgeld
    a) Ausgleichsfunktion
    b) Genugtuungsfunktion
    c) Art der Zahlung
    d) Schmerzensgeldhöhe
    e) Arbeitsunfälle
    f) Beweislast
  2. Erwerbsschaden
    a) Nichtselbständige
    b) Selbständige
    c) Kinder, Jugendliche, Auszubildende
  3. Haushaltsführungsschaden
  4. Vermehrte Bedürfnisse (incl. Pflegekosten)
  5. Heilbehandlungskosten
    a) Grundsatz
    b) Privatärztliche Leistungen
    c) Alternative Behandlungsmethoden
    d) Problem Beweislast
  6. Rechtsverfolgungskosten
    a) Rechtsschutzversicherer
    b) Beratungs-/Prozesskostenhilfe

B. Arbeits-/Wegeunfall

C. Ansprüche bei selbstverschuldeten Freizeitunfällen

I. Eigene (private) Versicherungen

  1. Krankenversicherung
  2. Pflegeversicherung
  3. Pflegezusatzversicherung
  4. Krankentagegeld bzw. Krankenhaustagegeldversicherung
  5. Unfallversicherung
  6. Berufsunfähigkeitsversicherung

II. Sozialversicherungen

  1. Gesetzliche Rentenversicherung
  2. Gesetzliche Krankenversicherung
  3. Gesetzliche Unfallversicherung
  4. Arbeitslosenversicherung
  5. Pflegeversicherung

D. Staatliche Vergünstigungen

I. Grad der Behinderung (GdB)/Behindertenausweis

  1. Höhe des GdB
  2. Gültigkeitsdauer und Verlängerung
  3. Merkzeichen

II. Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE)

III. Arbeitsrecht

IV. Teilhabeansprüche

V. Rechtsweg

E. Behinderungsbedingte Steuerprivilegien

I. Behinderungsbedingte außergewöhnliche Belastungen

II. Der Behindertenpauschbetrag

III. Kfz-Steuerbefreiung

IV. Freifahrt im ÖPNV

A. mit Schädiger/Haftung

I. Haftungsgründe

Für den Geschädigten sind diverse Konstellationen denkbar, in denen er auf einen Schädiger zurückgreifen kann bzw. ein Dritter für den Unfall und dessen Folgen haftet. In Betracht kommen hier Haftungstatbestände, die auf Verschulden des Schädigers beruhen oder, was weitergehend ist, lediglich an einen Gefährdungstatbestand anknüpfen (Gefährdungshaftung).

Am häufigsten und wohl auch bekanntesten ist die Haftung eines Schädigers im Rahmen des Straßenverkehrs durch ein haftpflichtversichertes Kfz oder Motorrad. In diesem Falle haften sowohl der Schädiger selbst, mithin derjenige, der das Kraftfahrzeug gesteuert hat, als auch dessen Halter und, was von immenser Bedeutung ist, darüber hinaus auch der Kfz-Haftpflichtversicherer. Gegenüber Letzterem besteht nach dem Pflichtversicherungsgesetz sogar ein Direktanspruch. Dies bedeutet, dass man notfalls unmittelbar gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer klagen kann. Dies ist für den Geschädigten eine sehr elementare Vereinfachung des Verfahrens im Hinblick auf die immer vorliegende Liquidität der Versicherer. Insbesondere im Bereich der hier zu besprechenden Personengroßschäden sind die Schadensbeträge so immens, dass die Schädiger in aller Regel nicht die wirtschaftlichen Möglichkeiten haben, diese in Gänze zu befriedigen. Selbst mit einem obsiegenden Urteil käme man bei ausgeschöpfter Liquidität des Schädigers mithin unmittelbar nicht weiter, sofern es den genannten Direktanspruch gegenüber dem Kfz­ Haftpflichtversicherer nicht gäbe.

1. Unfallgegner Kfz/Motorrad

Die geschilderten Ansprüche gegenüber Schädiger, Halter und (Kfz)­ Haftpflichtversicherer sind verschuldensunabhängig. Es handelt sich also um Gefährdungshaftungsansprüche, die ausgelöst werden allein dadurch, dass das Kraftfahrzeug im Straßenverkehr in Betrieb genommen wird. Der Geschädigte muss dem Schädiger mithin keine Fehlleistung nachweisen.

2. Unfallverursacher Fahrradfahrer

Die geschilderten Grundsätze gelten jedoch nicht, sofern der Schädiger Fahrradfahrer war. Diesem muss Verschulden, mithin Fahrlässigkeit, nachgewiesen werden. Auch besteht gegenüber dem Fahrradfahrer kein Anspruch gegenüber einem eventuell vorhandenen Haftpflichtversicherer. Zwar sind viele Privatpersonen haftpflichtversichert, was dazu führt, dass bei Verschulden des Schädigers für diesen eine Haftpflichtversicherung eintritt. Der Geschädigte hat jedoch nicht wie in der oben geschilderten Konstellation des Unfalls mit einem Kraftfahrzeug einen Direktanspruch nach dem Pflichtversicherungsgesetz. Grundsätzlich muss hier mithin der Schädiger selbst, auch wenn er haftpflichtversichert ist, verklagt werden. Hier besteht mithin dann auch die Gefahr, dass sich fehlende Liquidität des Schädigers auf die Schädigung des Geschädigten negativ auswirkt. Trotz des fehlenden Direktanspruchs gibt es jedoch auch hier Möglichkeiten, eine (private) Haftpflichtversicherung des Schädigers in Anspruch zu nehmen. Die Beschreibung der juristischen Details würde den Rahmen hier sprengen.

3. Weitere Haftungstatbestände aus dem Verkehr

Darüber hinaus geschehen häufig Unfälle in anderen typischen Gefährdungskonstellationen, wie im Luftverkehr, Bahnverkehr, Straßenbahnverkehr und ähnlichem.

4. Arzthaftungsrecht

Auch im Rahmen des Arzthaftungsrechts kommt es häufig zu erheblichen Personenschäden und mithin sehr hohen Schadensersatzpositionen. Sowohl für niedergelassene Ärzte als auch Krankenhäuser besteht eine Versicherungspflicht, so dass hier immer auch Versicherer in Anspruch genommen werden können, mangels Direktanspruchs jedoch leider nicht unmittelbar. Dass dies bei kompetenter Beratung egalisiert werden kann, wurde oben im Rahmen der Haftung des Fahrradfahrers erläutert.

II. Haftungsquote Mitverschulden

Der Geschädigte muss sich eventuelles eigenes Verschulden haftungsmindernd anrechnen lassen. Dies geschieht durch die Bildung von Haftungsquoten.

III. Ansprüche aufgrund Haftung

1. Schmerzensgeld

Die bekannteste, wohl allen zumindest vom Begriff geläufige Schadensposition ist die des Schmerzensgeldes.

Schmerzensgeld ist mittlerweile im Unterschied zur früheren Regelung verschuldensunabhängig zu zahlen. Der Anspruch besteht mithin bereits im Rahmen der sogenannten Gefährdungshaftung. Dies bedeutet z. B. bei Verkehrsunfällen, dass dem Fahrer des schädigenden Fahrzeugs nicht nachgewiesen werden muss, dass dieser, z. B. beim Unfall mit Kindern, schuldhaft gehandelt hat. Der bloße Betrieb des Fahrzeugs löst diese Betriebsgefahr und mithin auch den Anspruch auf Schmerzensgeld aus.

Das Schmerzensgeld wird unabhängig vom materiellen berechenbaren Schaden, zu dem unten noch ausgeführt werden wird, als sogenannter immaterieller Schaden gezahlt. Es dient einer Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion. Nach der Rechtsprechung insbesondere des Bundesgerichtshofs stellt sich der doppelte Charakter des Schmerzensgeldanspruchs wie folgt dar: ≫Im Vordergrund soll das Schmerzensgeld dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich bieten für diejenigen Schäden, für diejenigen Lebenshemmungen, die nicht vermögensrechtlicher Art sind. In erster Linie bilden die Größe, die Heftigkeit und die Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen die wesentliche Grundlage bei der Bemessung der Entschädigung. Das Schmerzensgeld soll aber zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schuldet.≪

a) Ausgleichsfunktion

Im Rahmen der Ausgleichsfunktion kommt es bei der Frage der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes auf die Frage an, ob ein Dauerschaden vorliegt. Im Gegensatz zu der abstrakt berechneten Erwerbsminderung in der Unfallversicherung (dazu unten noch mehr) kommt es hier auf die persönlichen Verhältnisse des Verletzten an. Alter, Geschlecht, Beruf und persönliche Neigungen sind zu berücksichtigen. Des Weiteren stellt sich die Frage, inwieweit psychische Beeinträchtigungen gegeben sind. Bloße Trauer, Unlust, Antriebsschwäche und ähnliches sind hier nicht zu berücksichtigen. Es kommt vielmehr darauf an, ob bereits die Schwelle zur Gesundheitlichen Beeinträchtigung überschritten ist. Im Rahmen dessen sind dann sogar psychosomatische Beeinträchtigungen dem Schädiger zuzurechnen und mithin auch für die Berechnung der Höhe des Schmerzensgeldes von Belang.

Bei Personenschäden kommt es in aller Regel auch zu sozialen Belastungen, die bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen sind. Hier geht es z.B. um Störungen in der Ausbildung oder der beruflichen Tätigkeit, Beeinträchtigungen im gesellschaftlichen Leben, im Freizeitverhalten, bei der Ausübung von Sport oder selbst bei beeinträchtigter Partnerwahl. Auch das Alter des Verletzten ist als wertbildender Faktor im Rahmen der Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes anerkannt. Die Rechtsprechung ist sich insoweit einig, dass ein junger Mensch, der einen schweren Dauerschaden erlitten hat, wegen seines Alters mehr Schmerzensgeld zu erhalten hat, weil er noch lange an den Verletzungsfolgen zu tragen hat. Andererseits wird von der Rechtsprechung wohl auch berücksichtigt, dass bei fortgeschrittenen Lebensalter der Heilungsverlauf erschwert ist und die Möglichkeit der Anpassung an neue Gegebenheiten schwerer fällt als bei jüngeren Menschen.

b) Genugtuungsfunktion

Im Rahmen der Bemessung der Genugtuungsfunktion kommt es zunächst auf das Maß das Verschulden des Schädigers an. Wie bereits erwähnt, ist das Verschulden nicht Anspruchsvoraussetzung, d. h., auch bei dessen Fehlen besteht der Schmerzensgeldanspruch. Sofern jedoch Verschulden vorliegt, ggf. z. B. im Falle von Straftaten sogar schweres Verschulden in Form des Vorsatzes oder sogar der Absicht, hat dies zur Folge, dass der Schädiger ein höheres Schmerzensgeld zu zahlen hat als derjenige, der unverschuldet (z. B. beim Unfall mit Kindern) haftet. Je schwerer jedoch das Verschulden liegt, desto erheblicher wird die Genugtuungsfunktion und desto höher fällt auch dann die Höhe des Schmerzensgeldes aus. Des Weiteren kommt es auf den Anlass des Unfalls oder der Verletzungshandlung an. Teilweise wird in der Rechtsprechung damit argumentiert, dass es einen Unterschied mache, ob die Verletzung aus Anlass der Befriedigung eines Vergnügens oder im Zusammenhang mit Berufsausübung, Nothilfeleistung oder ähnlichem erfolgte. Auch auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten sowie des Schädigers kommt es wertbildend an. Hier ist insbesondere von Relevanz, ob der Schädiger über eine eintrittspfli htige Versicherung verfügt. Dies soll sich schmerzensgelderhöhend auswirken. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Hinauszögerung der Schadensregulierung durch die Versicherungsgesellschaft vorliegt, was leider häufig zu beklagen ist. Es muss fast als gängige Praxis der Versicherer bezeichnet werden, dass nicht nur sämtliche Punkte des Anspruchs des Geschädigten bestritten werden, sondern in der Folge dann auch noch selbst bei geklärter Rechtslage hinsichtlich der Höhe der Zahlungen verzögert wird. Dies wird letztlich dann jedoch von der Rechtsprechung durch Bemessung eines höheren Schmerzensgeldes sanktioniert. Gerade bei schwersten Verletzungen befindet sich der Geschädigte häufig in einem Zustand, in dem mutmaßlich alle Wahrnehmungsfunktion soweit erloschen sind, dass er die Vorteile eines Schmerzensgeldes nicht mehr genießen kann. Selbst in diesen Fällen sieht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die Voraussetzungen der Genugtuungsfunktion jedoch als gegeben an. Dies wird dann unter symbolische Wiedergutmachung bei Verlust des subjektiven Empfindungsvermögens subsummiert. Da es sich um eine äußerst schwerwiegende Beeinträchtigung handelt, wird im Gegenteil sogar eine Erhöhung des Schmerzensgeldanspruchs vorgenommen.

c) Art der Zahlung

Das Schmerzensgeld wird als Schmerzensgeld-Kapital oder als Schmerzensgeld­ Rente gezahlt. In aller Regel wird das Schmerzensgeld als einmaliger Kapitalbetrag ausgeurteilt. Es ist dann grundsätzlich einheitlich zu bemessen. Lediglich in Ausnahmesituationen kann ein Teilbetrag zugesprochen werden, wenn aufgrund außergewöhnlicher Umstände noch nicht klar ist, wie sich die Unfallfolgen entwickeln. In solchen Fällen darf das endgültige Schmerzensgeld erst später festgesetzt werden, wenn sämtliche Unfallfolgen, ihre Auswirkungen auf das Leben des Geschädigten und die Heilungsaussichten überschaubar sind. Wenn dem Geschädigten jedoch nicht der soeben erwähnte Teilbetrag zugesprochen wurde, sondern eine endgültige Regelung gefunden wurde, ist dies in aller Regel abschließend, auch wenn sich seine Situation nach Zahlung des Schmerzensgeldes noch verschlechtert. Dies findet seine Unterbrechung lediglich dann, wenn zur Zeit des Ausspruchs des Schmerzensgeldurteils mit den eingetretenen Spätfolgen in keinster Weise zu rechnen war. Ausnahmsweise kommt darüber hinaus auch die Zahlung einer Schmerzensgeldrente in Betracht. Dies soll nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Falls ein, wenn außergewöhnliche Umstände, wie etwa anhaltende Schmerzens, die Notwendigkeit wiederholter schmerzhafter und in ihrem Erfolg ungewisse ärztliche Eingriffe oder auch die drohender Gefahr weiterer unfallbedingter Spätschäden es rechtfertigen, dem Geschädigten statt oder zusätzlich zur Kapitalabfindung eine Schmerzensgeldrente zu gewähren. Auch bei Minderjährigen entscheiden sich Gerichte häufig dafür, eine Schmerzensgeldrente zuzusprechen, um eine zweckwidrige Verwendung einer einmaligen Kapitalsumme zum Nachteil des Verletzten, z. B. durch die Eltern, zu vermeiden. In die gleiche Richtung geht die Erwägung, dass Jugendliche in finanziellen Dingen in der Regel unerfahren sind und die Gefahr besteht, dass sie selbst einen einmaligen Kapitalbetrag schnell verwirtschaften könnten.

d) Schmerzensgeldhöhe

Hinsichtlich der Höhe des Schmerzensgeldes ist davor zu warnen, das insbesondere in amerikanischen Filmen Mitgeteilte zu berücksichtigen. Die in Deutschland gezahlten Schmerzensgeldbeträge sind wesentlich geringer, erreichen aber mittlerweile bei schwersten Verletzungen wie hohen Tetraplegien mit kompletter Lähmung sämtlicher Extremitäten immerhin Höhen von in der Regel mehr als 500.000,00 € bis zu 900.000,00 €. Allgemein tendiert die Rechtsprechung dazu, immer höhere Beträge auszuurteilen.

e) Arbeitsunfälle

Bei reinen Arbeitsunfällen besteht kein Anspruch auf Schmerzensgeld (dazu unten mehr unter B), es sei denn, der Schädiger hat vorsätzlich gehandelt. Dem Arbeitsunfall gleichgestellt sind Unfälle mit Mitschülern innerhalb der Schule, Studenten innerhalb der Uni, Kindern im Kindergarten oder bei der Pannenhilfe, da es sich hier um Unfälle handelt, die von der gesetzlichen Unfallversicherung abgedeckt sind und das sogenannte Haftungsprivileg greift (auch dazu unten mehr unter B).

f) Beweislast

Wie auch bei allen übrigen Ansprüchen muss der Geschädigte die für ihn günstigen Anspruchstatsachen notfalls dem Gericht darlegen und auch beweisen. Ihn trifft mithin die voll Beweislast für die erlittene Verletzung und die Ursächlichkeit mit dem Unfallgeschehen. Dies nutzen Versicherer häufig aus, indem nahezu alles bestritten wird. Der Geschädigte hat dann nicht nur mit den Unfallfolgen zu kämpfen, sondern auch damit, seine berechtigten Ansprüche durchzusetzen.

2. Erwerbsschaden

Die elementarste, wichtigste, weil wirtschaftlich bedeutendste Position für dauerhaft an der Gesundheit Geschädigte ist der Erwerbsschaden, der auch Verdienstausfall genannt wird. Erhebliche Verletzungen mit (dauerhaften) Personenschäden bedingen in aller Regel auch einen (zeitweisen) teilweisen oder auch kompletten Arbeitsausfall.

a) Nichtselbstständige

Angestellte haben gegen ihren jeweiligen Arbeitgeber einen Anspruch auf Lohnfortzahlung während ihres krankheits- oder unfallbedingten Ausfalls. Die Lohnfortzahlung erfolgt während der ersten sechs Wochen der Erkrankung. Nach Ablauf des Fortzahlungszeitraums erhält der Verletzte dann von seiner gesetzlichen Krankenversicherung sogenanntes Krankengeld. Dieses Krankengeld beträgt 70 % der letzten Bezüge.

Soweit der Verletzte keine Lohnersatzleistungen erhält, hat er einen Anspruch gegenüber dem Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer. Die Höhe des Anspruchs richtet sich grundsätzlich nach dem letzten gezahlten Lohn. Hierzu gehören sämtliche Bestandteile, .die vom Arbeitgeber regelmäßig bezahlt werden, also auch Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Sondergratifikationen, Treuegelder und ggf. auch Überstundenvergütungen. Selbst eine potentiell tatsächlich anstehende Gehaltserhöhung ist zu berücksichtigen, sofern seitens des Geschädigten nachgewiesen werden kann, dass diese sicher in Aussicht stand. Bei längerfristigen oder sogar dauerhaften Verletzungen ist zudem eine Prognose zu erstellen, wie sich die Erwerbssituation des Geschädigten gestaltet hätte, wäre der Unfall nicht geschehen. Insoweit sind mithin nicht lediglich Lohnerhöhungen einzubeziehen, sondern auch eventuelle Beförderungen oder sogar berufliche Veränderungen, sofern diese plausibel dargelegt werden können. Reine Aufwandsentschädigungen, die der Geschädigte tatsächlich durch den Unfall eingespart hat, wie Schmutzzulage, Spesen, Fahrtkostenersatz und ähnliches, sind nicht zu erstatten.

b) Selbstständige

Im Unterschied zu angestellten Arbeitnehmern, die bei Ausfall ihrer Arbeitskraft zunächst Lohnfortzahlung vom Arbeitgeber und sodann Krankengeld durch die Gesetzliche Krankenversicherung erhalten, stehen Selbstständige,·sofern sie nicht selbst Vorsorge getroffen haben, im Anschluss an einen Unfall in aller Regel ohne

Einkommen da. Für sie ist es mithin umso wichtiger, zu wissen, ob und was sie vom Schädiger bzw. dessen Versicherer erhalten können.

Bei Selbstständigen sind der Nachweis und die Darstellung des Erwerbsschadens in Ermangelung konkreter Daten schwierig. Keiner weiß, wie sich ein Unternehmen ohne Unfall entwickelt hätte. Erschwerend kommt hinzu, dass die Rechtsprechung die Kosten einer fiktiven Ersatzkraft ausdrücklich nicht als Ermittlungsgrundlage anerkennt. Es reicht mithin nicht, dass man dem Versicherer des Schädigers oder notfalls dem Gericht mitteilt, was eine Ersatzkraft kosten würde. Stellt man hingegen tatsächlich einen Vertreter ein, können diese Kosten beansprucht werden. Dies gilt auch, sofern ein Familienmitglied unentgeltlich tätig wird. Hier sind die Kosten einer Ersatzkraft anzusetzen.

Dies allein ist jedoch nicht erschöpfend. Erstattungsfähig darüber hinaus ist nämlich auch der durch den Unfall nicht erwirtschaftete über die Kosten einer Ersatzkraft hinausgehende Gewinn des Unternehmens. Dieser Gewinn kann allein geschätzt werden. Grundlagen dieser Schätzung muss man jedoch liefern. Es ist mithin zu ermitteln, wie sich das Unternehmen ohne den Unfall voraussichtlich entwickelt hätte. Insoweit ist auf den voraussichtlichen durchschnittlichen Erfolg abzustellen. Dazu sind die bisherigen Gewinnunterlagen (Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen, Einkommensteuerbescheide usw.) heranzuziehen und auszuwerten. Zu berücksichtigen ist, dass sich der Gewinn während der Ausfallzeit entweder fortgesetzt oder vermindert bzw. erhöht hätte. Plastisch darstellen lässt sich dieses Problem für Unternehmen in der Gründungsphase. Zum einen stehen hier wirtschaftliche Daten nur bedingt zur Verfügung. Zum anderen ist allgemein bekannt, dass zunächst in der Regel lediglich Kosten produziert werden, noch kein Gewinn erwirtschaftet wird. Sobald Gewinn erwirtschaftet wird, steigt dieser in der Regel an. Insoweit stellt sich mithin die Frage, in welchem Maße dieses Wachstum stattgefunden hätte.

Hier kann man ggfls. Daten der jeweiligen Kammern (Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer etc.) verwerten. Auch besteht die Möglichkeit, Sachverständigengutachten von Steuerberatern und/oder Wirtschaftsprüfern einzuholen. Die dadurch entstehenden Kosten hat der Schädiger zu erstatten.

Sollte sich im oben genannten Verfahren herausstellen, dass der Betrieb nicht rentabel arbeitet und auch zukünftig nicht rentabel gearbeitet hätte, wird davon ausgegangen, dass der Geschädigte eine unselbstständige Arbeit übernommen hätte. Das ihm dann entgangene Arbeitseinkommen ist in diesem Fall zu ersetzen.

In jedem Fall sollten Geschädigte sich nicht lediglich auf die Angaben des gegnerischen Versicherungsunternehmens verlassen. Dessen Interesse liegt lediglich darin, die Kosten zu minimieren. Das Wohl des Geschädigten ist diesem Anliegen entgegengesetzt. Es sollte mithin in jedem Fall eine spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei beauftragt werden. Auch diese Kosten werden vom Schädiger getragen.

c) Kinder, Jugendliche und Auszubildende

Die Bestimmung der voraussichtlichen Gehaltsentwicklung ist im Vergleich zu Selbstständigen noch komplizierter wenn es sich bei dem Geschädigten um ein Kind, um einen Schüler oder Auszubildenden handelt. Bei diesen Personengruppen ist zum einen zu berücksichtigen, dass sie aufgrund des Unfalls zeitweise in ihrer Ausbildung gehemmt sind, mithin später erst ins Berufsleben einsteigen können und daher auch erst verspätet ein Gehalt beziehen. Darüber hinaus ist natürlich zu berücksichtigen, dass es aufgrund des Unfalls und der damit verbundenen Beeinträchtigungen auch zu einer Beeinträchtigung der Berufswahl und der Verdienstmöglichkeiten generell kommt. Auch hier ist mithin eine Prognose anzustellen, wie sich der noch in der Entwicklung Befindliche beruflich entwickelt hätte, wäre der Unfall nicht passiert im Vergleich zu der Situation, die tatsächlich gegeben ist. Es muss mithin ein praktisch vollständig imaginäres Berufsleben entworfen werden. Bei Kindern und Jugendlichen, die noch keine Berufsausbildung gestartet haben, muss mithin selbst die Frage geklärt werden, welchen Beruf oder auch welche berufliche Ausrichtung gewählt worden wäre. Abzustellen ist hier auf das Umfeld des Verletzten, also beispielsweise die Eltern und Geschwister. Welchen Bildungsstand und Beruf haben diese erreicht mit welchen Einkommen? Ersetzt werden für diesen Personenkreis die tatsächlich entgangene Ausbildungsvergütung für den Zeitraum der Verzögerung, Nachteile durch Erschwernisse im Studiengang infolge veränderter Studienbedingungen, Nachteile wegen verschlechterter Einstiegschancen in den Beruf, der Schaden durch einen verzögerten Berufseintritt, der Ausfall oder die Verringerung von Einkommenssteigerungen, unterbliebene und/oder verzögerte Beförderungen sowie letztlich auch Nachteile hinsichtlich der Höhe der Altersrente bzw. des Ausfalls von Zahlungen in die Rentenversicherung.

3. Haushaltsführungsschaden

Durch Unfall oder sonst wie Verletzte haben gegen den Schädiger oder auch dessen Versicherer   ferner   einen   Anspruch   wegen   des   Ausfalls   der Haushaltsführungsmöglichkeit. Dieser Anspruch kann auch fiktiv, also ohne Belege, geltend gemacht werden. Erfasst ist nicht die bloße Haushaltsführung im engeren Sinne, die natürlich auch von Männern erbracht werden kann, sondern auch Gartenarbeit, Holzhacken, Reparaturen, Eigenleistungen beim Hausbau, Autowaschen etc.. Die auflaufenden Beträge sind beträchtlich, so dass diese Position bei der Schadensregulierung unbedingt bedacht werden sollte.

Im Einzelnen gilt beim Haushaltsführungsschaden folgendes:

Ersatzfähig ist die komplette, normalerweise ohne Verletzung erbrachte, Tätigkeit im bzw. im Zusammenhang mit dem Haushalt. Zum Haushalt gehörig wird auch der nicht eheliche Lebenspartner gezählt. Entscheidend ist allein, wie hoch die grundsätzlich ohne den Unfall tatsächlich geleistete Arbeit war. Es kommt nicht darauf an, ob diese familienrechtlich geschuldet ist. Der Geschädigte kann mithin nicht darauf verwiesen werden, dass der nicht verletzte Ehepartner und/oder Familienangehörige zur Mitarbeit verpflichtet wären. Es ist auch nicht darauf abzustellen, wie hoch der objektive Arbeitszeitbedarf ist, sondern allein darauf, wie hoch der konkrete Arbeitszeitaufwand ist. Dieser ist in jedem Einzelfall konkret festzustellen.

Zur Bestimmung der Höhe des Haushaltsführungsschadens wird auf die so genannte haushaltsspezifische MdE (Minderung der Erwerbsfähigkeit) abgestellt. Diese ist von der allgemeinen MdE zu unterscheiden. Wer z.B. den Arm gebrochen hat, kann als Handwerker nahezu nicht mehr arbeiten. Im Haushalt kann er seine Arbeitskraft jedoch zumindest teilweise noch einbringen.

Zur Ermittlung der haushaltsspezifischen MdE gibt es komplizierte abstrakte Tabellenwerke. Es empfiehlt sich jedoch die Einholung eines konkreten Gutachtens durch den behandelnden Arzt oder sogar einen diesbezüglichen Facharzt.

Die MdE wird in Prozent angegeben. Diese Prozentzahl ist mit dem wöchentlichen Arbeitszeitaufwand zu multiplizieren. Letzterer kann ebenfalls über Tabellen ermittelt werden und wird durchaus großzügig bemessen. Hier werden unter Umständen mehr als zehn Stunden pro Tag zugrunde gelegt. Pro Stunde können die Kosten einer fiktiven Ersatzkraft abgerechnet werden. 10,00 € pro Stunde (regional auch mehr) sind hier durchaus angemessen.

Auch kann konkret eine Ersatzkraft eingestellt werden. Dann sind die konkreten Kosten zu erstatten.

Bei schweren Verletzungen kommen hier mithin leicht mehrere 1.000,00 € pro Monat zusammen. Bei lebenslangen Behinderungen errechnen sich mithin Beträge im zumindest hohen sechsstelligen Bereich.

Es handelt sich bei dem Haushaltsführungsschaden mithin neben dem Erwerbsschaden in der Regel um die größte Schadensposition, die wesentlich wichtiger ist als z.B. das wesentlich überbewertete Schmerzensgeld.

4. Vermehrte Bedürfnisse (inkl. Pflegekosten)

Durch einen Unfall Verletzte haben darüber hinaus Anspruch auf sogenannte vermehrte Bedürfnisse. Hierunter fallen alle unfallbedingten, ständig wiederkehrenden Aufwendungen des Geschädigten, die den Zweck haben, die schadenbedingten Beeinträchtigungen auszugleichen. Zu denken ist hier an die verschiedensten Einzelpositionen wie folgt:

Erhöhte Ausbildungskosten, etwa durch Privatunterricht oder Kosten einer Umschulung

  • Besondere Hilfsmittel
  • Diät
  • Fahrtkosten
  • Kleidermehrbedarf bei behinderungsbedingtem erhöhtem Kleiderverschleiß
  • Körperpflegemittel

Kraftfahrzeugkosten, weil zum einen ein Kfz behinderungsbedingt umgebaut werden muss und/oder zum anderen es zur Mitnahme beispielsweise eines Rollstuhls eines größeren Kfz’s bedarf

  • Kuren
  • Orthopädische Hilfsmittel
  • Pflegekosten (da es hier um teilweise beträchtliche Beträge bei Schwerstverletzten geht, die teilweise 30.000,00 € betragen können, bietet diese Position sehr hohes Streitpotential. Versicherer kommen daher häufig auf die Idee, dass im Rahmen der vermeintlichen Schadensminderungspflicht erheblich behinderte Personen in einem Heim unterzubringen sind, weil die dortigen Pflegekosten bei Schwerstverletzten geringer sind. Darauf braucht sich der Geschädigte jedoch nicht verweisen zu lassen. Der Schädiger ist verpflichtet, die Situation des Geschädigten möglichst nahe der zu gestalten, die bestanden hätte, wäre der Unfall nicht geschehen. Freiwillig würde wohl kein Unverletzter in ein Heim ziehen, so dass dies auch nicht von einem Geschädigten verlangt werden kann.)
  • Sportkosten für eventuelle diesbezügliche erforderliche Hilfsmittel (Sportrollstuhl, Handbike) Nahrungsergänzungsmittel Erhöhte Versicherungsprämien, die Versicherer aufgrund der behinderungsbedingt geänderten Situation großteils erheben Erhöhte Wohnkosten für behinderungsgerechte Umbauten bzw. Anmietung/Anschaffung geeigneten Wohnraums; darin beinhaltet ist auch der Anspruch auf eine rollstuhlbedingt größere Wohnung, zum einen, um sich dort mit Rollstuhl oder anderen Hilfsmitteln bewegen zu können und zum anderen, um Hilfsmittel dort lagern zu können. Gegebenenfalls sind auch die Kosten eines Therapieraumes und der entsprechenden Geräte erstattungsfähig. Gleiches gilt für Kosten für Aufzüge, Verbreiterung von Türen, Abrampung von Stufen etc. Erhöhte Kosten für Steuerberatung, die behinderungsbedingt gegebenenfalls anfallen

Sofern der Geschädigte von Familienangehörigen oder nahen Bekannten/Freunden gepflegt wird, kann er seitens des Schädigers bzw. dessen Haftpflichtversicherer nicht darauf verwiesen werden, dass er insoweit keine Kosten habe. Häufig wird unter Verweis auf eine vermeintliche sittliche Anstandspflicht der Familie und/oder der Freunde diese Position bestritten. Diese Auffassung wird von der Rechtsprechung jedoch glücklicherweise nicht geteilt.

5. Heilbehandlungskosten

a) Grundsatz

Die notwendigen Heilbehandlungskosten sind grundsätzlich vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer ebenfalls zu ersetzen. Da in Deutschland jedoch nahezu jeder (gesetzlich oder privat) krankenversichert ist, treffen ihn die diesbezüglichen Kosten zunächst nicht. Die Versicherer gehen in Vorleistung und regressieren dann beim Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer.

›Interessant‹ wird es für den Geschädigten selbst, sofern und soweit seine Heilbehandlungskosten von seiner Versicherung nicht gezahlt werden. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um zwei Konstellationen. Zum einen besteht die Möglichkeit, dass der Geschädigte privatärztliche Leistungen in Anspruch nimmt, obwohl er Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung ist. Zum anderen ist die Frage von Bedeutung, inwieweit ›alternative‹ Behandlungsmethoden vom Schädiger zu erstatten sind, die der Versicherer des Geschädigten nicht im Leistungsspektrum hat.

b) Privatärztliche Leistungen

Es ist nahezu nicht möglich, die Frage, inwieweit privatärztliche Behandlungen vom Schädiger zu erstatten sind, zu beantworten. Nach der Rechtsprechung ist ein Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich im Rahmen der ihm obliegenden Schadensminderungspflicht gehalten, diese, die GKV, in Anspruch zu nehmen. Privatärztliche Behandlung ist jedoch dennoch zu ersetzen, wenn diese zu einer wirksamen Behandlung der Unfallfolgen medizinisch notwendig ist. Dies soll, wiederum nach der Rechtsprechung, jedoch lediglich dann der Fall sein, wenn der Geschädigte diese Kosten auch ohne Regressmöglichkeit aufgewandt hätte. Darüber hinaus kann Ersatzpflicht im Einzelfall auch bestehen, wenn das Leistungssystem der gesetzlichen Krankenkasse nur unzureichende Möglichkeiten zur Schadenbeseitigung bietet oder die Inanspruchnahme der vertragsärztlichen Leistung aufgrund besonderer Umstände ausnahmsweise dem Geschädigten nicht zumutbar ist. Auch wird die Ansicht vertreten, dass privatärztliche Behandlungskosten dem gesetzlich KrankenversichertenNerletzten dort zu erstatten sind, wo die privatärztliche Behandlung aus der Sicht eines verständigen Menschen in der Lage des Verletzten nach der Art der Verletzung und dem individuellen Lebensstandard erforderlich ist oder er eine zusätzliche private Versicherung abgeschlossen hat. Insbesondere die Umstände des Einzelfalles können also die Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen rechtfertigen und müssen deshalb bei der Frage, welche Aufwendungen für eine gebotene Heilbehandlung erforderlich sind, berücksichtigt werden.

c) Alternative Behandlungsmethoden

Alternative Behandlungsmethoden sind häufig vom Leistungsspektrum sowohl der gesetzlichen als auch der privaten Krankenversicherung nicht erfasst. Sofern der Geschädigte diese in Anspruch nimmt, stellt sich mithin auch insoweit für ihn die Frage, inwieweit er den Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer in Anspruch nehmen kann. Auch hier kommt es darauf an, inwieweit die Behandlungen zur Heilung oder Linderung der Beschwerden geeignet bzw. medizinisch erforderlich sind. Wie diese medizinische Notwendigkeit im Schadensrecht zu definieren ist, wird jedoch von der Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird auf die Schulmedizin, mithin die Wissenschaftlichkeit abgestellt, die auch das Abgrenzungskriterium im Rahmen der Frage, ob ein Anspruch innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung gegen die Krankenkasse  besteht,  darstellt.  Im Rahmen des vorliegend  relevanten Schadensrechts wird jedoch auch die Meinung vertreten, dass es auf die Gleichwertigkeit (statt der Wissenschaftlichkeit) ankomme, mithin Maßstab die objektive Vertretbarkeit der Heilmaßnahme ist.

d) Problem Beweislast

Bei beiden Konstellationen problematisch ist jedoch, dass die Darlegungs- und Beweislast für die Erforderlichkeit der Behandlungen jeweils beim Geschädigten liegt. Da es sich um medizinische Fragen handelt, wird man in der Regel seitens der Gerichte nicht ohne Sachverständigengutachten auskommen. Diese wiederum sind relativ kostspielig. Aufgrund der genannten Darlegungs- und Beweislast wird das Gericht den Kostenvorschuss beim Geschädigten anfordern.

Vorsorglich sollte mithin vor Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen und/oder alternativer Behandlungsmethoden die Kostenfrage mit dem Haftpflichtversicherer des Geschädigten geklärt werden.

6. Rechtsverfolgungskosten

Die zur Rechtsdurchsetzung erforderlichen Kosten des Geschädigten für die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe, Gerichts- und Sachverständigenkosten hat grundsätzlich der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer zu erstatten. Sofern jedoch mit der Gegenseite über den Haftungsgrund oder die Höhe der Schadenspositionen des Geschädigten gestritten wird, kann es dazu kommen, dass auch die Rechtsverfolgungskosten seitens des Schädigers (teilweise) nicht übernommen werden. In diesem Fall gibt es verschiedene Möglichkeiten für den Geschädigten, sein Recht durchzusetzen, ohne die Kosten selbst zu tragen.

a) Rechtsschutzversicherer

Die den meisten geläufigste und auch weitestgehende Alternative ist die Inanspruchnahme einer bereits bei Unfall bestehenden Rechtsschutzversicherung. Bis vor kurzem galt als gesichert, dass der spätere Abschluss eines Rechtsschutzversicherungsvertrages nicht ausreicht. Die Rechtsprechung auch des BGH stellt für die Frage des Versichertenrechtsverstoßes neuerdings jedoch allein darauf ab, was der Versicherungsnehmer des Rechtsschutzversicherungsvertrages, vorliegend mithin der Geschädigte, gegenüber dem Rechtsschutzversicherer als Rechtsschutzverstoß behauptet. Insoweit besteht mithin die Möglichkeit, dass im Anschluss an einen Unfall ein Rechtsschutzvertrag abgeschlossen wird, die Gegenseite, der Schädiger, sodann zur Erklärung über die Haftungsfrage oder Zahlung aufgefordert wird und in der Folge eine eventuelle Ablehnung dem Rechtsschutzversicherer als Rechtsverstoß präsentiert wird. Sofern dieser Weg konstant eingehalten wird, besteht mithin die Möglichkeit, auch im Nachhinein – nach dem Unfall – noch in den Genuss einer Rechtsschutzversicherung für Unfallfolgen zu kommen.

b) Beratungs-/Prozesskostenhilfe

Wirtschaftlich Bedürftige haben des Weiteren die Möglichkeit, im außergerichtlichen Bereich Beratungshilfe und bei einem eventuell erforderlichen Prozess Prozesskostenhilfe zu beanspruchen. Die wirtschaftliche Bedürftigkeit wird relativ großzügig angenommen. Insbesondere wenn man weiteren Familienangehörigen (Natural-) Unterhalt leistet und/oder Aufwendungen für Wohnkosten, wozu auch Darlehenszinsen gehören, Versicherungen und ähnliches hat, kann man auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hoffen. Soweit diese gewährt wird, fallen für den klagenden Geschädigten keine Anwalts-, Gerichts- und Sachverständigenkosten an. Dies ist unabhängig von der Frage, ob der Prozess letztlich erfolgreich betrieben wird oder der Kläger mit seiner Klage unterliegt. In letzterem Falle läuft er lediglich Gefahr, dass er die Rechtsanwaltskosten der dann obsiegenden Schädigerpartei zu erstatten hat.

B. Arbeits-/Wegeunfall

Die im Leben lauernden Gefahren sind vielfältig und mithin auch die Möglichkeiten, zu verunfallen. Die Umstände des Unfalls sind unter anderem auch juristisch von Belang, weil es verschiedene mögliche Kostenträger gibt. Als zu beneiden werden unter Betroffenen in der Regel diejenigen angesehen, die einen Arbeitsunfall erlitten haben. Dies hat nämlich zur Konsequenz, dass sie in den Zuständigkeitsbereich der Berufsgenossenschaften fallen und diesen gegenüber weitgehende Ansprüche haben. Sogenannte BGler sind, was die Heilbehandlung und insbesondere die Hilfsmittelversorgung angeht, in vielen Teilaspekten gegenüber normalen Kassenpatienten oder auch privat Krankenversicherten privilegiert. So werden beispielsweise anstandslos Sportrollstühle und Handbikes gezahlt. Daneben besteht im Bereich des Behinderungsmehrbedarfs Anspruch auf Erstattung erhöhten Kleiderverschleißes, erhöhten Flüssigkeitsbedarfs, Urlaubsbegleitung und sogar Urlaubszuschuss als solchem. Ferner werden natürlich für den Fall des Verlustes der Erwerbsfähigkeit Renten gezahlt. Auch der Anspruch auf Pflegegeld ist höher als in der gesetzlichen Pflegeversicherung. Des Weiteren werden aus der gesetzlichen Unfallversicherung weitgehende Rehabilitationsmaßnahmen zur eventuellen Wiedereingliederung in das Arbeitsleben gewährt. Ferner werden Verletztengeld oder Übergangsgeld gezahlt. Bei tödlich verlaufenden Arbeitsunfällen gewährt die Berufsgenossenschaft Sterbegeld und eine Hinterbliebenenrente.

Dennoch ist die Frage des Vorteils mit einem Fragezeichen versehen. Nicht in allen Facetten ist es nämlich positiv, einen Arbeitsunfall erlitten zu haben. Das Gesetz sieht nämlich das sogenannte Haftungsprivileg vor. Da der Arbeitgeber die gesetzliche Unfallversicherung allein mit seinen Beiträgen finanziert (die anderen Zweige der Sozialversicherung werden auch aus Arbeitnehmerbeiträgen gespeist), soll er nach dem Willen des Gesetzgebers auf der anderen Seite nicht für Personenschäden haften. Dies bedeutet, dass zwar Sachschäden (zerstörte Kleidung oder andere Gegenstände) gegenüber dem Unternehmer oder anderen Betriebsangehörigen bei einem Arbeitsunfall geltend gemacht werden können, nicht jedoch Personenschäden. Konkret bedeutet dies, dass insbesondere ein Anspruch auf Schmerzensgeld gegenüber dem Unternehmer oder anderen Betriebsangehörigen ausscheidet. Insbesondere bei schweren Unfällen mit dauerhaften Behinderungen kann es sich insoweit um einen großen sechsstelligen Betrag handeln.

Zugunsten des Verletzten gibt es aber auch davon wiederum Ausnahmen:

Zum einen kommt das Haftungsprivileg nicht demjenigen zugute, der vorsätzlich handelt. Wird mithin jemand in Ausübung seiner Arbeit von einem anderen absichtlich verletzt, steht ihm diesem gegenüber auch ein Anspruch auf Erstattung seines Personenschadens, mithin unter anderem des Schmerzensgeldes, zu.

Zum anderen haben Unfallopfer, die grundsätzlich in den Zuständigkeitsbereich der Berufsgenossenschaften fallen, einen Anspruch auf Schmerzensgeld gegenüber dem Schädiger, wenn es sich um einen sogenannten Wegeunfall handelt. Dieser löst nämlich zum einen den Anspruch gegenüber der Berufsgenossenschaft aus. Zum anderen besteht aber auch die Möglichkeit, den Schädiger, der in der Regel ein anderer normaler Verkehrsteilnehmer ist, in Anspruch zu nehmen. Diesem normalen Verkehrsteilnehmer (bzw. dem dahinterstehenden Versicherer), der also nicht Betriebsangehöriger des Arbeitgeber des Verunfallten ist, gegenüber kann natürlich auch Schmerzensgeld geltend gemacht werden.

›Glücklich‹ ist insoweit mithin, wer fremdverschuldet auf dem Weg zur Arbeit verunglückt.

C. Ansprüche bei selbstverschuldeten Freizeitunfällen

Sofern es selbstverschuldet, mithin ohne Einfluss eines Dritten sowie außerhalb von Konstellationen, für die ein Dritter haftet (Luftfahrtunfälle, Eisenbahnunfälle o. ä.) zu einem Personenschaden gekommen ist, der auch nicht ein Arbeits- oder Wegeunfall ist, stellt sich die Frage, ob und wer dann in Anspruch genommen werden kann.

Insoweit in Betracht kommen Ansprüche gegenüber eigenen privaten Versicherern (insoweit unter I.) sowie staatlichen Sozialleistungsträgern bzw. -stellen (insoweit unter II.).

I. Eigene (private) Versicherungen

Glücklich schätzen kann sich, wer sich schon zeitig, mithin vor dem Unfall, selbst möglichst umfangreich versichert hat und mithin nunmehr diese eigenen Versicherungen in Anspruch nehmen kann.

1. Krankenversicherung

Wie bereits oben ausgeführt, ist in Deutschland nahezu jeder gesetzlich und/oder privat krankenversichert. Die medizinisch notwendigen Heilbehandlungskosten sind mithin nahezu immer ebenfalls versichert, so dass nahezu kein Geschädigter diese Kosten selbst zu tragen hat. Wie unter der Überschrift ›Das Familienprivileg‹ bereits geschildert, kann jedoch im Falle der Schädigung durch ein mit im Haushalt lebendes Familienmitglied innerhalb der Position Heilbehandlungskosten sogar zugunsten des Geschädigten ›gespielt‹ werden.

2. Pflegeversicherung

Im Rahmen der Pflichtmitgliedschaft in einer Krankenversicherung besteht darüber hinaus auch die Verpflichtung, pflegeversichert zu sein. Bekanntlich erfolgt seit 01.01.2017 bei Pflegebedürftigkeit die Einstufung in fünf Pflegegrade. Innerhalb dieser wiederum wird unterschieden, ob der zu Pflegende Zuhause, teil- oder in Gänze stationär gepflegt wird. Für die jeweilige Konstellation wird dann ein pauschaler Betrag seitens der Pflegeversicherung geleistet, der unabhängig ist vom tatsächlichen Aufwand und den tatsächlich entstehenden Kosten. Nahezu immer verbleibt es bei einer nicht durch die Pflegeversicherung gedeckten Differenz. Sofern kein Schädiger vorhanden ist, entsteht für den Geschädigten mithin eine Deckungslücke.

3. Pflegezusatzversicherung

Darüber hinaus werden auch Pflegezusatzversicherungen angeboten, um die geschilderte Deckungslücke zu schließen. Teilweise werden insoweit Versicherungen angeboten, die diese Lücke komplett schließen. Da sich das Deckungsrisiko der Versicherer Gesetzesänderungen ausgesetzt sieht, ist auch die in gesunden Tagen zu zahlende Prämie variabel; im Übrigen auch sehr hoch.

4. Krankentagegeld- bzw. Krankenhaustagegeldversicherung

Im Rahmen der Krankentageversicherung bietet der Versicherer Versicherungsschutz gegen Verdienstausfall als Folge von Krankheit oder Unfällen, soweit dadurch Arbeitsunfähigkeit verursacht wird. Die Krankentagegeldversicherung ist in der Regel, was jedoch abhängig von der jeweiligen Police ist, eine Summenversicherung. Das heißt für jeden Tag der ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit wird ein vorher festgelegter pauschaler Betrag gezahlt. Dieser ist unabhängig von der Höhe des tatsächlichen Verdienstausfalls. Innerhalb der Krankenhaustagegeldversicherung, die eine Summenversicherung ist, wird pauschal für jeden Tag des Aufenthaltes in einem Krankenhaus ein vorher festgelegter Betrag gezahlt.

5. Unfallversicherung

Glücklich kann sich schätzen, wer im Falle einer unfallbedingten Invalidität über eine Unfallversicherung verfügt, die idealerweise eine Progression für den Fall der 100%­ igen Invalidität vorsieht. Es handelt sich auch hier um eine sogenannte Summenversicherung, d.h. versichert ist die Zahlung eines gewissen Betrages unabhängig von der konkreten Schadenshöhe. Dieser Betrag wird berechnet über die Versicherungssumme und eine sogenannte Gliedertaxe, die für jedes Körperteil einen gewissen Prozentsatz im Vorhinein festlegt. Bei einer Querschnittslähmung liegt beispielsweise eine 100%-ige Invalidität vor, so dass dann grundsätzlich die komplette Versicherungssumme zur Auszahlung gelangt (beispielsweise 100.000,00 €). Im Falle der Progression (z. B. vierfach für 100%-ige Invalidität) bestünde mithin ein Anspruch auf Auszahlung eines Betrages in Höhe von 400.000,00 €, der zunächst zumindest das Nötigste abdecken würde.

6. Berufsunfähigkeitsversicherung

Ebenfalls nicht kostendeckend, aber zumindest hilfreich ist eine Berufsunfähigkeitsversicherung, die im Falle der Unfähigkeit der Ausübung der konkret vor dem Unfall ausgeübten Tätigkeit gewisse im Vorhinein vereinbarte monatliche Sätze zahlt. Die Berufsunfähigkeitsversicherungen sind jedoch zum einen je nach Risikogruppe des Berufs recht teuer und bergen zum anderen sehr hohes Streitpotential. Die Versicherer wenden häufig ein, es liege keine Berufsunfähigkeit vor oder diese beruhe unter anderem auf Vorschädigungen, die gegebenenfalls im Vorhinein vermeintlich gegenüber dem Versicherer nicht angegeben wurden. Letzteres führt häufig zum Verlust des kompletten Versicherungsschutzes. Aufgrund des hohen Prozesskostenrisikos sollte jeder, der mit dem Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung liebäugelt, eine Rechtsschutzversicherung mit ins Auge fassen (all dies gilt natürlich vor dem Unfall; nach einem Unfall können Versicherungen, die dieses Risiko absichern, nicht mehr abgeschlossen werden. [Dies wiederum mit der oben geschilderten Ausnahme der Behauptung des Rechtsschutzfalls Ablehnung durch Versicherung]).

II. Sozialversicherungen

Neben den angesprochenen privaten Versicherungen werden Behinderte natürlich auch durch die bestehenden sozialen Versicherungen, wenn auch nur lückenhaft geschützt.

1. Gesetzliche Rentenversicherung

Bei Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen erhält, wer erwerbsunfähig ist, eine (teilweise) Erwerbsunfähigkeitsrente nach dem SGB VI.

2. Gesetzliche Krankenversicherung

Heilbehandlungskosten werden natürlich, soweit medizinisch erforderlich, von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen.

3. Gesetzliche Unfallversicherung

Die gesetzliche Unfallversicherung tritt im Falle eines Arbeits- bzw. Wegeunfalls ein, wozu oben unter B bereits ausgeführt worden ist.

4. Arbeitslosenversicherung

Wer, egal ob unfallbedingt oder nicht, arbeitslos wird und die sonstigen persönlichen Voraussetzungen erfüllt, hat Ansprüche gegenüber der Arbeitsagentur.

5. Pflegeversicherung

Zur Pflegeversicherung wurde oben bereits ausgeführt.

D. Staatliche Vergünstigungen

Behinderten, egal ob fremd- oder selbstverschuldet verunfallt, stehen eine Vielzahl staatlicher Vergünstigungen zu.

I. Grad der Behinderung (GdB)/Behindertenausweis

Voraussetzung für die Inanspruchnahme sozialstaatlicher Leistungen aufgrund der Behinderung ist im Allgemeinen, dass der Betroffene als Behinderter anerkannt ist, was durch die Zuerkennung eines Grades der Behinderung (GdB) geschieht. Die Schwerbehinderteneigenschaft wird kraft Gesetzes, d.h. bereits mit dem Eintritt der Behinderung und nicht erst mit deren Feststellung durch die zuständige Behörde, erworben. Die zuständige Behörde ist bundesweit das jeweilige Versorgungsamt. Entsprechende Anträge erhält man beim örtlich zuständigen Rathaus, wo einem auch mitgeteilt wird, welches Versorgungsamt örtlich zuständig ist. Sofern sich abzeichnet, dass eine Behinderung verbleiben wird, sollte sofort, gegebenenfalls durch Bevollmächtigte, der Antrag auf Zuerkennung eines GdB und mithin auf Ausstellung eines Behindertenausweises gestellt werden. Die Eingangsbestätigung des Versorgungsamtes sollte man sofort seinem Arbeitgeber zukommen lassen, damit dieser bereits davon Kenntnis hat, dass sich die Lage hinsichtlich Kündigungsschutz und Urlaubsanspruch geändert hat. Das Versorgungsamt holt sodann bei den behandelnden Ärzten, soweit nicht bereits mit Antrag vorgelegt, Befundberichte ein. Sofern der jeweilige Amtsarzt der Auffassung ist, dass die vorliegenden Befundberichte aussagekräftig sind, erfolgt eine Entscheidung. Anderenfalls wird der Antragsteller mutmaßlich zu einer Untersuchung eingeladen. Bei Entscheidungsreife erfolgt ein Feststellungsbescheid (ab GdB 20) über den GdB, der in Dezimalzahlen bis 100 ausgedrückt wird. Ab einem GdB von 50 wird dem Betroffenen seitens des Versorgungsamtes ein Behindertenausweis ausgestellt.

1. Höhe des GdB

Der GdB wird als Gesamt-GdB ausgedrückt. Das heißt, es fließen sämtliche Behinderungen in dessen Gesamtberechnung mit ein. Hier sollte bereits frühzeitig seitens des Betroffenen darauf geachtet werden, dass sämtliche Beschwerden befundet werden und auch dem Versorgungsamt mitgeteilt werden. Auch wenn die Ermittlung des GdB dem Amtsermittlungsgrundsatz unterfällt, ist doch häufig festzustellen, dass seitens der Behörde nicht allzu akribisch vorgegangen wird. Man sollte mithin selbst darauf achten, dass sämtliche Informationen übermittelt werden. Entscheidend für die Höhe des GdB ist, wie stark sich alle Behinderungen zusammengenommen in allen Lebensbereichen, also privat und beruflich, auswirken. Eine GdB-Berechnung kann lediglich durch Ärzte erfolgen. Grundlage für die Ermittlung sind die Anhaltspunkte für die Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht. Bei mehreren einzelnen Beschwerden und mithin Einzel-GdB erfolgt keine schlichte Addition der GdB-Zahlen. Grob erfolgt die Berechnung des Gesamt-GdB, indem der GdB der Erstbehinderung voll in Ansatz gebracht wird, der der zweiten Behinderung zur Hälfte, der der dritten zu einem Drittel u.s.w.. Dabei ist jedoch zu beachten, dass Einzel-GdB von 10 oder 20 bei der Berechnung des Gesamt­ GdB nur in Ausnahmefällen berücksichtigt werden.

2. Gültigkeitsdauer und Verlängerung

Wie bereits kurz erläutert, wird ab einem GdB von 50 ein Behindertenausweis ausgestellt. Dies geschieht in der Regel für fünf Jahre.

3. Merkzeichen

In den Ausweis werden darüber hinaus behinderungsspezifische Merkzeichen eingetragen:

  • G erheblich gehbehindert
  • aG außergewöhnlich gehbehindert
  • H hilflos
  • B Begleitung bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel erforderlich
  • BI blind
  • RF Gesundheitliche Voraussetzungen für Befreiung von der Rundfunk/Fernsehgebühr
  • GI gehörlos

Das G erhält, wer infolge einer Einschränkung seines Gehvermögens nur gefährdet Strecken bis zu 2 km gehen kann, was wiederum auf einer Behinderung beruhen muss, die bei Behinderungen an Beinen/Rückgrat einen Einzel-GdB von mindestens 50 ausmacht oder auf inneren Leiden beruht oder Anfallsleiden oder einer Sehbehinderung ab einem GdB von 70. Ausnahmsweise kann auch bei einem sich auf die Gehfähigkeit auswirkenden GdB von lediglich 40 das Merkzeichen G zuerkannt werden, wenn mit zusätzlichen Behinderungen die für einen Ausweis nötigen 50 erreicht werden.

aG wird bei außergewöhnlichen Gehbehinderungen anerkannt für Personen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit größter Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können. Hierzu zählen Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außer Stande sind, eine Prothese zu tragen sowie andere Schwerbehinderte, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, aufgrund von Erkrankungen, dem vorstehend aufgeführten Personenkreis gleichzustellen sind. Die Auswirkungen auf die Gehfähigkeit sind nach der Rechtsprechung schon dann zu bejahen, wenn eine konkrete Gefahr einer weiteren Verschlimmerung der Behinderung hin zu einem der oben genannten Zustände besteht.

H Als hilflos ist anzusehen, wer in Folge von Gesundheitsstörungen nicht nur vorübergehend für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung seiner persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedarf.

B Ständige Begleitung ist bei Schwerbehinderten (bei denen die Voraussetzungen für die Merkzeichen G oder H vorliegen) notwendig, die infolge ihrer Behinderung zur Vermeidung von Gefahren für sich oder andere bei Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen sind.

Das Merkzeichen RF erhalten Behinderte, die allgemein von öffentlichen Zusammenkünften ausgeschlossen sind. Es genügt dabei nicht, dass sich die Teilnahme an einzelnen, nur gelegentlich stattfindenden Veranstaltungen bestimmter Art verbietet. Nach Auffassung der Versorgungsämter ist die Berufstätigkeit eines Behinderten in der Regel Indiz dafür, dass öffentliche Veranstaltungen – zumindest gelegentlich – besucht werden können.

Das Merkzeichen BI erhält, wer in diesem Sinne blind ist, d.h. das Augenlicht vollständig verloren hat. Blind ist jedoch auch, wer auf keinem Auge und auch nicht bei beidäugiger Prüfung mehr als 1/50 Sehschärfe hat oder wenn andere Störungen vorliegen, die gleich zu achten sind.

GI gilt für Personen, bei denen Taubheit beiderseits vorliegt, sowie hörbehinderte Menschen mit einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit beiderseits, wenn daneben schwere Sprachstörungen bestehen.

II. Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE)

Die MdE drückt in Prozenten aus, wie stark die persönlichen körperlichen und geistigen Fähigkeiten die Arbeitskraft wirtschaftlich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verwerten, durch einen Versicherungsfall beeinträchtigt sind. Die MdE wird mithin ermittelt, um die Beeinträchtigung der Arbeitskraft zu bemessen. Sie ist von Belang zum Beispiel für eine eventuelle Berentung, sowie Ansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung sowie privaten Berufsunfähigkeitsversicherungen.

III. Arbeitsrecht

Für Schwerbehinderte im oben genannten Sinne gelten diverse auch arbeitsrechtliche Sonderregelungen, die diese schützen sollen.

IV. Teilhabeansprüche

Sozialleistungsberechtigte, d.h. Personen, die über kein großes Einkommen und Vermögen verfügen, haben nach dem SGB XII darüber hinausgehend umfangreiche Teilhaberechte, um möglichst weitgehend (wieder) Teil des gesellschaftlichen Lebens zu sein. Diese Teilhaberechte sind sehr weitgehend und können z.B. auch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, wie z. B. Handbike oder Sportrollstuhl gerichtet sein.

V. Rechtsweg

Die zuletzt genannten staatlichen Vergünstigungen werden durch Behörden zuerkannt. Dies erfolgt durch Bescheide. Gegen diese Bescheide kann Widerspruch innerhalb eines Monats eingelegt werden. Die in der Regel nächst höhere Behörde hat sodann den ursprünglichen Bescheid zu überprüfen und entweder abzuhelfen oder einen Widerspruchsbescheid zu erlassen. Dies hat in der Regel innerhalb von drei Monaten zu geschehen. Wird das Verfahren ohne zureichenden Grund seitens der Behörde länger verschleppt, besteht die Möglichkeit, Untätigkeitsklage einzureichen, so dass das Gericht die Behörde dann dazu zwingt, eine Entscheidung zu treffen. Ist diese wiederum für den Betroffenen negativ, besteht die Möglichkeit, dagegen vor dem Sozialgericht zu klagen. Da den dort entscheidenden Richtern in der Regel die Sachkompetenz auf medizinischem Gebiet fehlt, werden Sachverständige bestellt, die objektiv entscheiden. Deren Beurteilung ist in der Regel günstiger als die der seitens der Behörde bereits hinzugezogenen Mediziner. Entscheidungen der Sozialgerichte können mit der Berufung vor den Landessozialgerichten angefochten werden. Lediglich in Ausnahmefällen ist der Weg zum Bundessozialgericht eröffnet.

Sowohl die Behörden als auch Gerichte und dortige Sachverständige arbeiten für den Betroffenen kostenlos. Betroffene sollten bei aus ihrer Sicht negativen Entscheidungen mithin den Rechtsweg keinesfalls scheuen. Sozialleistungsberechtigte erhalten darüber hinaus auch anwaltliche Hilfe in Form von Beratungshilfe (im außergerichtlichen Bereich) bzw. Prozesskostenhilfe (im gerichtlichen Bereich) auf Staatskosten.

E. Behinderungsbedingte Steuerprivilegien

Behinderte erhalten diverse steuerliche Erleichterungen. Hier eine Übersicht:

I. Behinderungsbedingte außergewöhnliche Belastungen

Nach § 33 EStG können behinderungsbedingte außergewöhnliche Belastungen steuerlich geltend gemacht werden. In Betracht kommen hier diverse Kosten, die mit der Behinderung in Zusammenhang stehen. Bei Gesundheitsaufwendungen ist darauf zu achten, dass diese ärztlich verordnet sind und es dort heißen muss, dass sie medizinisch notwendig sind. Es genügt nicht, dass die Maßnahme lediglich wünschenswert ist. Aufwendungen für eine Vorbeugung oder Erhaltung der Gesundheit werden ebenfalls nicht anerkannt.

Darüber hinaus wird eine zumutbare Eigenbelastung seitens des Finanzamts von den außergewöhnlichen Belastungen wieder abgezogen, die je nach Einkommen gestaffelt ist und häufig die Höhe der außergewöhnlichen Belastungen übersteigt, so dass kein steuerlicher Vorteil mehr verbleibt.

II. Der Behindertenpauschbetrag

Häufig sinnvoller und insbesondere praktikabler ist daher die Geltendmachung des Behindertenpauschbetrages, der vom Grad der Behinderung in der Höhe abhängt. Die Höhe des Pauschbetrages reicht von 384,00 € bei einem GdB von 20 bis zu 2.840,00 € bei einem GdB von 100. Sind Behinderte blind (Merkmal BI) oder hilflos (Merkmal H) oder gar taubblind, so können sie einen erhöhten Behindertenpauschbetrag von 7.400,00 € in Anspruch nehmen. Der Behindertenpauschbetrag wird jährlich gewährt. Dies gilt auch dann, wenn die Behinderung erst zum Ende des Jahres vorlag. Der Behindertenpauschbetrag kann von Behinderten oder auch von deren Eltern in Anspruch genommen werden.

Zu beachten ist allerdings, dass bei Inanspruchnahme des Behindertenpauschbetrages die typischen außergewöhnlichen Belastungen, die durch die Behinderung entstehen, nicht mehr geltend gemacht werden können.

Der Behindertenpauschbetrag hat zudem gegenüber der Geltendmachung außergewöhnlicher Belastungen den Vorteil, dass es keines Nachweises der Mehraufwendungen bedarf. Dieser Nachweis ist meist sehr aufwendig. Die Belege werden vom Finanzamt akribisch geprüft, so dass in aller Regel die Geltendmachung des Behindertenpauschbetrages bevorzugt wird.

III. Kfz-Steuerbefreiung

Behinderte erhalten eine Ermäßigung bzw. sofern dass Merkzeichen aG vorliegt, sogar eine Kfz-Steuerbefreiung. Dies gilt auch bei Vorliegen der Merkzeichen H sowie BI. Bei Vorlage der Merkzeichen G sowie GI beträgt die Kfz-Steuerermäßigung 50%.

IV. Freifahrt im ÖPNV

Erheblich Gehbehinderte (Merkzeichen G) sowie außergewöhnlich Gehbehinderte (Merkzeichen aG) können eine kostenpflichtige Wertmarke für Schiene und Bus ermäßigt erwerben. Liegt bei aG zugleich soziale Bedürftigkeit vor, ist die Wertmarke kostenlos. Gleiches gilt bei Vorliegen der Merkzeichen H und BI.

Scroll to Top
Cookie Consent mit Real Cookie Banner