Störung verschiedener Körperfunktionen

Maßnahmen zur Prävention

Veronika Geng, Pflegewissenschaftlerin, Manfred-Sauer-Stiftung

Arzt beim Blutdruckmessen

Eine Querschnittlähmung geht oft einher mit Störungen der verschiedenen Körperfunktionen. Daher ist es wichtigdiese Störungen zu kennen und zu wissen welche Komplikationen damit verbunden sind. Viele der Komplikationen können durch entsprechende prophylaktische Maßnahmen verhindert werden. Die häufigsten prophylaktischen Maßnahmen sind nachfolgend aufgeführt.

Autonome Dysreflexie (auch autonome Hyperreflexie)

Diese tritt bei Lähmung oberhalb Th 6/7 auf und kann im schlimmsten Fall eine lebensbedrohliche Situation darstellen. Es besteht eine vegetative Dysregulation (Regulationsstörung) mit reflektorischer Vasokonstriktion (Gefäßverengung) im gelähmten Bereich. Die Gegenregulationsversuche des autonomen Nervensystems führen zu einer Vasodilatation oberhalb der Läsion (Kopfschmerz) und zur Hypertonie (erhöhter Blutdruck), Bradykardie (verlangsamter Herzschlag), Schweißausbruch und Schwindel. Diese Symptome bleiben so lange bestehen, bis die Ursache dafür behoben ist.

Ursachen für eine Autonome Dysreflexie sind:
– Blasenüberdehnung /-überfüllung, Blasenspastik
– Massive Verstopfung, aber auch Stimulationen im Rektum
– Schwangerschaft/Entbindung
– Urologische/gynäkologische Untersuchungen
– Sonstige periphere Reize (Dekubitus, eingewachsene Zehennägel)
– Intensive sportliche Belastung

Die Prophylaxe-Maßnahmen zur Autonomen Dysreflexie lassen sich anhand der Ursachen erahnen. Regelmäßige Blasen- und Darmentleerung stehen hierbei sicherlich an oberster Stelle.

Dekubitusprophylaxe

Aufgrund der fehlenden oder gestörten Sensibilität sowie der fehlenden Innervation und Muskelbewegung ist der Querschnittgelähmte besonders anfällig für Dekubitus (Druckstellen). Die erste Maßnahme, um Druckstellen festzustellen, ist die Hautkontrolle. So soll die Haut regelmäßig auf Rötungen kontrolliert werden. Hautrötungen, die sich nicht verfärben, wenn man darauf drückt, sind bereits ein Dekubitus Grad 1. Dies bedeutet, eine Hautschädigung liegt schon vor. Anfänglich ist es notwendig, dass die Haut bei Positionsveränderungen im Bett, aber auch bei Rückkehr aus dem Rollstuhl ins Bett, kontrolliert wird. So kann frühzeitig erkannt werden, dass eine Unterlage, eine Matratze oder ein Sitzkissen zu hart oder zu unpassend gewählt sind.

Ist eine Druckstelle vorhanden, dann gilt das Prinzip: Man darf alles auf die Druckstelle legen – nur den Patienten nicht. Das heißt, Druckentlastung ist oberstes Gebot. Die Suche nach der Ursache warum es zu der Hautrötung kam, ist wichtig, um erneute Druckstellen zu vermeiden.

Thromboseprophylaxe

Eine Thrombose ist die Bildung eines Blutgerinnsels in den Blutgefäßen. Die Komplikationen einer tiefen Beinvenenthrombose kann die Lungenembolie sein, bei der das Blutgerinnsel vom Bein Richtung Lunge abgeschwemmt wird. Querschnittgelähmte sind hier speziell gefährdet, da aufgrund der Lähmung die Muskelpumpe, die das Blut aus den Beinen wieder nach oben transportiert, oft fehlt oder nur eingeschränkt vorhanden ist. Um die Thrombose zu vermeiden, wird anfänglich und/oder bei Bettruhe die Thromboseprophylaxe medikamentös durchgeführt. Eine Möglichkeit ist hierbei die Low-dose-Heparinisierung, indem eine Spritze in das Hautgewebe appliziert wird.

Die Mobilisierung und Bewegung sind wichtige Bausteine in der Thromboseprophylaxe. Ein weiterer Aspekt stellt die ausreichende Trinkmenge bzw. Flüssigkeitsmenge dar, so dass das Blut nicht eindickt.

Kompressionsstrümpfe zur Thromboseprophylaxe | Foto: tibanna79/stock.adobe.com

Da bei der Mobilisation das Blut meist in den Beinen versackt, können zur Thromboseprophylaxe Kompressionsstrümpfe der Kompressionsklasse 2, die individuell angepasst sind, eingesetzt werden, bis eine ausreichende Mobilisierungszeit erreicht wird. Die Kompressionsstrümpfe müssen von Zeit zu Zeit auch auf ihre Passform hin überprüft werden.

Kontrakturen Prophylaxe

Bei Kontrakturen handelt es sich um Bewegungseinschränkung von Gelenken. Immobilisation und Ruhigstellungen können zu solchen Kontrakturen führen. Der Querschnittgelähmte ist hiervon aufgrund seiner Lähmung und des Nichtbewegens der Extremitäten betroffen. Auch Schonhaltungen oder Schmerzen können dazu führen, dass Kontrakturen entstehen.

Die beste Maßnahme gegen die Kontrakturen ist die Bewegung oder das Durch- bewegen. Sei es aktiv oder eben auch passiv. Betroffene sollten bei Schmerzen nicht dazu übergehen, eine Schonhal- tung einzunehmen bzw. Bewegungen zu vermeiden, sondern die Schmerzursache abklären lassen. Die Grundprinzipien der Kontrakturen-Prophylaxe sind, dass zum einen die Funktion der Gelenke und zum anderen die Gelenke in anatomisch richti- ger Stellung erhalten werden sollen.

Kreislaufregulationsstörungen

Durch die fehlende Muskelpumpe, lange Liegephasen und verminderte Sympathikusaktivität kann es insbesondere bei der Mobilisation zu hypotonen Krisen kommen. Diese Regulationsstörungen können durch das Tragen von Kompressionsstrümpfen oder/und Bauchgurt reduziert werden. Auch die ausreichende Flüssigkeitsmenge spielt eine Rolle. Treten Schwindel und Kreislaufprobleme beim Mobilisieren auf, dann wird der Betroffene in eine horizontale Lage gebracht, d.h. Rollstuhl kippen und Beine anheben, so dass das Blut in den Körper zurück läuft.

Obstipationsprophylaxe

Aufgrund der mit der Querschnittlähmung einhergehenden neurogenen Darmfunktionsstörung kommt es oft zu Verstopfungssituationen. Der Stuhltransport im Darm ist verlangsamt und lässt sich schwer entleeren. Hier kann ein Darmmanagement, welches in den Querschnitteinrichtungen eingeübt wird, hilfreich sein. Ein regelmäßiger Entleerungsrhythmus, ein Essrhythmus wie auch die richtige Auswahl der Lebensmittel, unterstützen die Verdauungsfunktion. Eine ausreichende Trinkmenge sowie Ballaststoffe tragen dazu bei, dass der Stuhl nicht zu hart wird.

Im Falle von Problemen mit Verstopfung oder mit Problemen der Stuhlinkontinenz, kann das Beratungszentrum für Ernährung und Verdauung für Querschnittgelähmte der Manfred-Sauer-Stiftung kostenfrei angefragt werden. In persönlichen und auch telefonischen Beratungen wird die Problematik erörtert und nach Lösungen gesucht.

Ödemprophylaxe

Ödeme entstehen bei Querschnittgelähmten aufgrund der fehlenden Muskelpumpe, der fehlenden Bewegung und der sitzenden Position. Dabei handelt es sich um Wassereinlagerung im Gewebe. Feststellen lässt sich dies, indem man die Haut eindrücken kann und eine Delle in der Haut zurückbleibt. Auch Strümpfe, die einengen, sowie Füße/Beine die geschwollen sind, deuten auf Wassereinlagerungen hin. Unabhängig von der Querschnittlähmung ist es wichtig, dass die Ursachen für die Wassereinlagerungen geklärt werden. Neben der Lähmung können auch Herz- oder Nierenprobleme dahinter stecken.

Ödeme verhindern
– Tragen von Kompressionsstrümpfen
– Beine hochlagern
– keine einschnürende Kleidung tragen

Prophylaxe von Harnwegsinfektionen

Harnwegsinfektionen stellen die häufigste Komplikation im Rahmen des Intermittierenden Katheterismus bei neurogenen Blasenfunktionsstörungen dar. Neben den hygienischen Prinzipien helfen folgende Aspekte, Harnwegsinfektionen zu verhindern:
– Beherrschung der Speicherfunktion der Blase, das heißt, eine Blase, deren Blasendruck nicht erhöht ist.
– Adäquate Technik des intermittierenden Katheterismus und individuell optimiertes Kathetermaterial.
– Ausreichende Flüssigkeitsaufnahme (Ausscheidungsmenge ca. 1500 ml/24h)
– Vermeidung einer chronischen Blasenüberdehnung, d.h. das Blasenvolumen sollte max. 500 ml pro Katheterismus betragen.

Aus Erfahrung können Maßnahmen der Urinansäuerung mittels Apfelessig (1 Teil Apfelessig auf 3 Teile Wasser), der Einsatz von Präparaten wie Acimethin® eingesetzt werden. Auch Kapuzinerkresse mit Meerrettichwurzel (Angocin®) oder Cranberry-Präparate können hilfreich sein.

Regulierung der Körpertemperatur

Durch den Teilausfall des vegetativen Nervensystems im gelähmten Bereich ist die Regelung der Körpertemperatur beeinträchtigt. Dies kann zu Unterkühlung oder zu unkontrolliertem Anstieg der Körpertemperatur führen, als Folge des lähmungsbedingten Verlustes der normalen Thermoregulationsmechnismen.

Einige Maßnahmen bei Überwärmung bzw. Prävention derselben
– Genügend Flüssigkeitszufuhr – bei warmem Wetter die Trinkmenge um ½ bis 1 Liter erhöhen
– Keine direkte Sonnenbestrahlung – Schattenplätze aufsuchen und Kopfbe- deckung sinnvoll
– Bei Hitzeentwicklung die unbedeckten Körperpartien mit Wasser befeuchten (z.B. Blumensprüher)
– Wichtig: das Dekubitusrisiko kann bei Fieber und Feuchtigkeit erhöht sein

Gefahren

Abschließend sei noch etwas zu Verbrennungen und Erfrierungen erwähnt. Aufgrund der fehlenden Sensibilität (Berührung, Schmerz, Temperatur) können Gefahren durch Verbrennungen und Erfrierungen lauern. Von daher sind Wärme- und Kälteanwendungen nur mit äußerster Vorsicht einzusetzen. Wassertemperaturen sollten immer an sensiblen Körperteilen auf die Temperatur hin getestet werden.

Scroll to Top
Cookie Consent mit Real Cookie Banner